Ti
= "Behausung", "Wohnstätte"
Pi = "benützt zum / als / für"
Tipi (ein Sioux-Wort) bedeutet also soviel wie "als Wohnstätte
benützt".
Die nomadisierenden Indianerstämme der Great Plains benötigten
für ihre saisonal bedingten Umzüge sowie auch für die
Jagd mobile Behausungen, die leicht zu transportieren waren.
Das Tipi, ein aus einem tragenden Stangenskelett und einer Hülle
bestehendes kegelförmiges Zelt, erfüllte bestens diese Bedingungen,
war vielseitig verwendbar und konnte an verschiedene klimatische Bedingungen
adaptiert werden.
Die meisten Stämme, die Tipis verwendeten, sind in historischer
Zeit (17./ 18. Jhdt.) in die Great Plains abgewandert (Verteilung
der Stämme siehe Karte). Selbst seßhafte Bodenbauern wurden
in dieser Zeit zu nomadisierenden Jagdvölkern, welche die Plains
als ständigen Aufenthaltsort wählten und von der Bisonjagd
lebten. Während der Wanderungen gab es viele Kontakte zwischen
den Stämmen, daher ist eine stammesabhängige Entstehung
und Verbreitung des Bautyps Tipi kaum nachzuverfolgen. Die Variationen
im Detail der Struktur sind so vielseitig und so zahlreich, dass damit
auch Verwandtschaften zwischen den Stämmen nicht nachvollziehbar
sind.
Das Klima der Great Plains ist nicht einheitlich. Aufgrund der geringen
Niederschläge überwiegt vor allem im Westen und Süden
ein halbwüstenartiges Terrain mit spärlich verteilten Büschen
und Kakteen. Im Osten jedoch fällt mehr Regen, und die Prärien
sind grün. Das Gras wächst hier höher und üppiger,
wohingegen es weiter westlich kürzer wird. Das "Büffelgras"
ist für viele Tiere eine wichtige Nahrungsquelle; die Plains
sind somit auch das Kerngebiet der früher so zahlreichen Bisons.
In den nördlichen Hochebenen befinden sich Waldgebiete. Hier
können in den Wintermonaten arktische Stürme mit Temperaturen
bis zu -30 Grad Celsius auftreten, während im Hochsommer brütende
Hitze herrscht, mit Sandstürmen und schweren Gewittern.
Die Indianerstämme, welche in diesen Waldgegenden siedelten,
errichteten kegelförmige Rindenbehausungen, über die man
nur wenig weiß. Man kann heute nicht mehr feststellen, welche
Art des tragenden Skeletts sie benutzten und ob sie dieses in den
Tipibau übernahmen, oder ob sie durch den Kontakt mit anderen
Tipibewohnern deren Bauweise übernommen hatte. Immerhin wurden
Tipis schon lange vor der Besiedelung der Plains zur Jagd verwendet.
Im 17. Jahrhundert kamen mit den Spaniern Pferde in die Prärien,
und gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren fast alle Völker der
Great Plains beritten. Mit der beginnenden Verbreitung des Pferdes
erfuhr auch das Tipi eine weite und rasche Verbreitung. Früher
wurden die zerlegten Zelte zum Transport auf Hunde gepackt (dog-packing)
oder von Hunden gezogen (dog travois); es konnten also nur
kurze Reisen unternommen und kurze Stangen mitgenommen werden, wodurch
die Größe der Tipis stark beschränkt war. Nachdem
Pferde die Transportaufgabe übernommen hatten, konnten größere
Zelte konstruiert werden. An ein Pferd wurden acht bis zehn Stangen
gebunden, die mit ihren Enden am Boden nachgezogen wurden und dort
oftmals abgeschrägt waren, um ein besseres Gleiten zu ermöglichen.
Die Stangen hatten an den schmalen Enden ein etwa 1 cm weites
Loch, durch das ein Riemen führte, um sie zu bündeln. Die
Enden der Riemen wurden um den Bauch des Pferdes gebunden. Längere
Stangen wurden an den Spitzen über dem Rücken des Pferdes
gebündelt und gekreuzt und mit einem Lederriemen verknotet. Waren
die Stangen sehr lang, packte man die gefaltete Deckung auf ein gesondertes
Travois.
Für den Transport eines durchschnittlich großes Tipi (inklusive
der Einrichtung) wurden 3 Pferde benötigt.
Ein Travois bestand aus 2 Stangen, die sich über dem Pferde-
bzw. Hunderücken kreuzten. Auf diese Stangen, außerhalb
der Reichweite der Hufe, wurde entweder eine rechteckige Plattform
oder ein ovaler Netzring befestigt, worauf sich sämtliche Güter
befanden. Transportierte ein Pferd nur Tipistangen, konnten auf beiden
Seiten 7-8 Stangen, d.h. insgesamt bis zu 16 Stangen angebunden werden.
Die leicht transportable Hülle des Tipi besaß im aufgerollten
bzw. aufgefalteten Zustand Halbkreisform und wurde im Allgemeinen
aus Bisonhäuten, manchmal auch aus Häuten anderer Tiere,
zusammengenäht. Im späten 19.Jh. fertigte man die Hülle
aus Leinwand.
Die Deckung war mit Pflöcken oder mit Steinen am Boden befestigt.
Die Steine bildeten die sogenannten tipi rings, die in den
nördlichen Prärien noch heute zu sehen sind.
Bei niedrigen Temperaturen wurde im Inneren eine zweite (Innen-) Deckung
in halber Höhe (etwa 2,5 m) aufgehängt, welche als
Wärmedämmung und als zusätzlicher Schutz gegen das
Durchnässen bei Regen diente. Der Raum zwischen den beiden Deckschichten
wurde mit Gras als zusätzlicher Dämmung aufgefüllt
oder als Stauraum verwendet. Im Sommer rollte man die Zelthülle
von unten her etwas auf und gewann damit eine gute Durchlüftung.
Der Durchmesser des Tipi legte alle anderen Dimensionen fest. Der
Halbkreis der Tipihaut besaß einen Radius, der dem Durchmesser
des Grundrisses entsprach, und die Distanz zum Kreuzungspunktes der
Hauptstangen war gleich dem Radius der Außenhaut bzw. dem Durchmesser
des Grundrisses. Die Stangen selbst wurden in gleichen Abständen
entlang dem Umfang des Grundrisses angeordnet.
Die Türöffnung befand sich meist im Osten bzw. Südosten,
war also der Hauptwindrichtung abgewandt und wies in Richtung der
aufgehenden Sonne.
In allen Tipis gab es eine zentrale, etwas vertieft angelegte Feuerstelle.
Genau darüber befand sich eine Rauchöffnung, die justiert
werden konnte, um den Zug zu regulieren und vor Regen zu schützen.
Das echte Tipi war kein symmetrischer Kegel, denn in einem solchen
Fall wäre die Rauchöffnung genau an der Spitze gesessen,
am Kreuzungspunkt des Gestänges, und hätte somit bei Regen
nicht richtig geschlossen werden können. Dieses Problem wurde
durch eine asymmetrische Neigung des Tipi-Kegels gelöst: Die
Rückseite verlief steiler, und auf der flacheren Vorderseite
befand sich der Rauchabzug mit seinen Rauchklappen, die von zwei beweglichen,
außenliegenden Stangen unterstützt und bedient wurden.
Es gab zwei Grundtypen von Tipis, welche alle Stämme benutzten:
Entweder diente ein Dreigespärre (Dreibein) oder ein Viergespärre
(Vierbein) als Grundgerüst. Die Gesamtzahl der Stangen variierte
nach Größe des Tipi zwischen vierzehn und vierzig.
Das Dreibein-Tipi trat vor allem in den südlichen Plains auf
und wurde von den Plains-Cree, den Ojibwa, Assiniboin, Cheyenne, Kiowa,
Apache, Sioux, Arapaho, Mandan, Arikara, Pawnee, Omaha und Teton Dakota
verwendet. Das vor allem in den nördlicheren Regionen verbreitete
Vierbein-Tipi wurde von den Blackfoot, Ute, Crow, Shoshoni, Sarsi
und Comanche, und im Großen Becken bei den Nez Perce, Kutenai
und Flathead verwendet.
Weitere Unterschiede waren die Benutzung besonders langer Stangen
und die Herstellung von ovalen Türöffnungen im Norden, gegenüber
der Verwendung kürzerer Stangen im Süden und der Ausbildung
der Eingangsöffnung dort als umgekehrtes "V", das einfach
durch das beidseitige Zurückziehen der Deckung entstand.
Das Gerben der Felle, das Nähen der Zeltdecke, das Aufstellen
des Tipi sowie dessen Inneneinrichtung war Aufgabe der Frauen; lediglich
beim Errichten des Grundgerüstes halfen die Männer mit.
Das Aufstellen eines Tipis begann mit dem Zusammenbinden der Stangen
des Drei- bzw. Vierbeins am Boden. Diese Basisstangen wurde mit einem
Seilzug angehoben und in Position gebracht, wobei für das Heben
von schweren Stangen ein Pferd beim Ziehen half. Danach stellte man
die anderen Stangen, ausgenommen der letzten, entlang des Grundrisses
auf. Nachdem die zusammengerollte Deckung an der letzten Stange befestigt
wurde, konnte man diese nun ebenfalls in Position bringen und die
Hülle beidseitig aufrollen. An der Vorderseite wurden danach
die beiden Enden mit Weidenstiften zusammengesteckt und die Deckung
schließlich am Boden befestigt. Um bei stärkerem Wind das
Tipi zu stabilisieren, wurde ein Seil bzw. ein Lederriemen im Knotenpunkt
befestigt und im Boden verankert.
Das Aufstellen eines Tipis dauerte, je nach Größe, etwa
zwanzig Minuten bis zu einer Stunde.
Besorgten
die Frauen das
Aufstellen der Tipis, so waren für die Beschaffung und die Bearbeitung
der Zeltstangen, sowie für die Bemalung der Deckung die Männer
zuständig.
Die Malereien gaben kosmische und kultische Motive der traditionellen
Stammessymbolik bzw. den Inhalt von Visionen, Träumen und Erlebnissen
des Zeltinhabers wieder. Die Tipispitze war meist dunkel eingefärbt
und repräsentierte den Himmel, während der ebenfalls dunkel
gefärbte Bodenbereich die Erde verkörperte. Die Stangen
des Tipi symbolisierten die Verbindung zwischen Himmel und Erde.
In dieser Weise wurde das Bauwerk in die kosmischen und mythologischen
Vorstellungen des Stammes eingebunden.